Der erste Weltkrieg rief auch einige Männerchörler unter die Fahne. Kein Wunder, dass in den politischen Schwierigkeiten dieser Zeit die Chorproben nur noch unregelmässig besucht wurden. Mehreren Sängern war es kaum mehr möglich, den monatlichen Vereinsbeitrag von 20 Rappen aufzubringen – das Geld war knapp und musste zur Fütterung der hungrigen Mäuler zu Hause aufgespart werden. Im Jahr 1914 mussten viele Sänger deshalb ihre Beiträge schuldig bleiben und kamen in arge Not, wie sie wohl die aufgelaufenen Schulden wieder an ihren Verein zurückzahlen könnten. Wie konnten sie aufatmen, als ein Schuldenerlass für das zweite Halbjahr 1914 beschlossen wurde!
1915 versuchte der damalige Präsident August Schnelli verzweifelt, seine Mitglieder zu ‚friedlichem Zusammenarbeiten’ und zu fleissigem Probenbesuch anzuhalten. Die Busse für eine unentschuldigte Probenabsenz wurde von 20 auf 30 Rappen erhöht, und wenn ein Sänger aus dem Verein austreten wollte, musste er ein Austrittsgeld von 10 Franken bezahlen. Manch ein Mitglied konnte sich wohl unter diesen Umständen einen Vereinsaustritt gar nicht mehr leisten.
Allzu hart erschienen den Sängern diese Verpflichtungen. Um sie etwas zu mildern, verzichtete der Verein vorübergehend auf ein eigentliches Probenprogramm. Der Dirigent Wäspi erklärte sich nur unter der Bedingung, dass ‚die Proben recht gut besucht werden’ , zur Weiterarbeit bereit, und erst im September 1915 wurden die regelmässigen Gesangsübungen wieder aufgenommen.
Zwei Jahre Später schien das Schlimmste überstanden zu sein. Der Männerchor veranstaltete mitten in der Kriegszeit eine denkwürdige Abend-Unterhaltung mit einem Chorkonzert und zwei Theaterstücken. Diese Veranstaltung wurde ein voller Erfolg, sodass an der folgenden Hauptversammlung dem Dirigenten eine Gratifikation von 15 Franken und ,den Mädchen’ (Theaterspielerinnen) eine Gage von 3 Franken zugesprochen werden konnten.
1918 wurde die Mitgliedschaftsbedingungen nochmals verschärft: ‚Bei der allgemeinen Umfrage wird beschlossen, dass sich jedes Mitglied, das für einige Zeit Gähwil verlässt, abzumelden hat (schriftlich), ansonsten ihm Bussen und Monatsgelder erwachsen, welche unbedingt zu zahlen sind.’
Nach dem Ende des Krieges wurden sämtliche Bussen verdoppelt. Trotzdem taucht 1919 zum ersten Mal der Antrag auf, den Verein aufzulösen. Tatsächlich wurde die Vereinskasse unter den Mitgliedern aufgeteilt, der Verein wird aber nicht aufgelöst, sondern ‚die Kommission bleibt bestehen, bis der Verein wieder intakt ist’.
Die Katastrophe kam vier Jahre später. Das Protokoll der ausserordentlichen Hauptversammlung von 1923 zeichnet ein trauriges Bild von der niederschmetternden Stimmung eines Vereins, der an Interesselosigkeit, an Streitereien und Passivität zugrunde gehen muss. Nur noch 12 von den verbliebenen 19 Mitgliedern erschienen überhaupt zur HV – sogar der Aktuar fehlte! – und gemäss Protokolleintrag war auch der Aufmarsch dieser 12 Männer nicht gerade überzeugend: „Nun nach allmähligen Erscheinen der Mitglieder beginnt der Präsident die Versammlung … Nachdem der Präsident Kund getan hat, warum wir heute zusammen berufen wurden, erhebt sich eine rege und scharfe Diskussion, worin man deutlich merkt, dass der Männerchor in dem früheren Rahmen gehalten werden muss ohne Zwang & keinem anderen Verein beizutreten verpflichtet werden darf…“
An dieser Hauptversammlung wird beschlossen, dass der Verein seine Tätigkeit einstellt, seine Musikalien den Männern des hiesigen Kirchenchors Cäcilia zur Verfügung stellt, und dass die Vereinsakten sowie die Fahne dem Sängerkollegen Albert Stillhart, Landwirt, zur Verwahrung anvertraut werden.
Genau 30 Jahre lang sangen die verbliebenen Mitglieder des einstigen stolzen Männerchors als stets kleiner werdendes Grüppchen im Kirchenchor mit. Wohl waren sie hier sehr willkommen, denn die Männerstimmen gaben dem Kirchenchor einen guten musikalischen Boden und trugen zum Wohlklang des gemischten Chores sehr viel bei. Auch im geselligen Teil waren die vielen Sängerinnen des Kirchenchores immer wieder froh um ein paar männliche Begleiter. Nicht wenige Bekanntschaften und sogar Hochzeiten dürften sich aus der Verbindung von Männerchor und Kirchenchor ergeben haben.
Dienstags um 20:00 Uhr
Singsaal, Primarschule Gähwil